Die Falle

Die Falle

Ein Rätselkrimi von Roger Graf.

Stefan Wagner sass auf dem Rücksitz des Polizeiautos. Am Steuer sass Kommissar Fischer. Sein Bauch quoll aus den Hosen, und ein strenger Schweissgeruch breitete sich im Fond aus. Fischer schaute in den Rückspiegel, sah, wie Wagner entspannt einen Kaugummi kaute. Wagner war zuletzt mit der Toten gesehen worden. Sie verliessen gemeinsam eine Discothek, doch nur Wagner wurde danach noch lebend gesehen. Fischer schaltete die Scheinwerfer ein, weil der Nebel immer dichter wurde.

«Ich dachte, Polizisten sind immer zu zweit, wenn sie Verdächtige herumkutschieren.» Wagner grinste, ein blödes Grinsen, wie Fischer fand. «Auch die Polizei muss sparen», sagte Fischer ohne Ironie. «Das, was Sie hier machen, ist Geldverschwendung. Ich habe mit dem Mord nichts zu tun. Wir haben uns vor der Discothek getrennt. Sie muss danach dem Mörder begegnet sein. Vielleicht hat er sie mit dem Auto mitgenommen.» «Weshalb haben Sie sie nicht mit dem Auto mitgenommen?» «Weil sie mir auf die Nerven ging.»

Unsaftes Bremsmanöver

Der Nebel wurde immer dichter, als Fischer in die Strasse einbog, die quer durch den grossen Wald führte. Er atmete einige Male tief ein, nahm den Fuss vom Gaspedal, schloss einen Moment die Augen und trat dann unvermittelt auf die Bremse. Wagner, der nicht angeschnallt war, wurde gegen den Vordersitz gedrückt, stiess den Kopf an. Doch es war kein heftiger Aufprall, da der Wagen nur noch langsam unterwegs war.

«Was ist los, verdammt noch mal!» schrie Wagner und massierte sich die Schläfe. «Ich bekomme keine Luft mehr», hechelte Fischer und hielt eine Hand auf seinen Brustkorb. «Soll ich die Sanität rufen?» «Es geht gleich wieder», sagte Fischer. «Ein Asthma-Anfall. Kommt ab und zu vor.»

Fischer drückte sanft das Gaspedal und parkierte den Wagen auf dem schmalen Trottoir. «Ich muss an die frische Luft. Ich lasse den Wagen hier stehen.» Die beiden stiegen aus. Der Nebel war so dicht, dass man kaum fünf Meter weit schauen konnte. Fischer ging voraus, achtete dabei auf jeden Schritt Wagners und versuchte diesen in ein Gespräch zu verwickeln.

«Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Sie der Täter sind. Wissen Sie, das ist nicht mein Fall. Mein Kollege hat mich beauftragt, Sie hierherzuführen. Die Umstände der Tat deuten für mich auf einen Serientäter hin. Es erinnert mich an einen Fall, den wir vor 15 Jahren hatten. Damals wurde der Täter verhaftet und verurteilt. Aber so wie es aussieht, ist er wieder auf freiem Fuss.» «Das ist interessant. Wie heisst der Kerl?» «Das tut hier nichts zur Sache. Aber früher oder später wird auch mein Kollege die Parallelen erkennen. Mist, verdammter.»

«Was ist los?» Fischer nahm seine Brille ab und massierte sich die Augen. Wagner stand ratlos neben ihm. «Das Asthma und dieser Nebel. Wissen Sie, meine Augen beginnen manchmal plötzlich zu brennen, und dann sehe ich kaum noch etwas.» Wie um dies zu illustrieren machte Fischer einen Fehltritt. Sein massiger Körper kippte gegen einen Baumstamm. Wagner streckte ihm eine Hand entgegen, doch Fischer stemmte sich selbst wieder in die Vertikale.

«Tut mir leid. Aber im Moment bin ich kaum noch zu gebrauchen.» «Schon gut, gehen Sie dicht hinter mir, halten Sie sich an meiner Jacke fest.» Wagner bog auf einen schmalen Trampelpfad ein. Fischer hielt sich dicht hinter ihm. Er lächelte, als er sich an Wagners Lederjacke festkrallte.

«Noch fünf Jahre. Dann kann ich mich pensionieren lassen», keuchte Fischer. «Bei mir dauert es noch ein bisschen länger», sagte Wagner. «Mein Kollege ist 15 Jahre jünger als ich. Und ehrgeizig. Hoppla. Bin schon wieder beinahe über eine Wurzel gestolpert.»

Der Weg wurde steiler. Schliesslich landeten sie auf einer kleinen Ebene, von der aus mehrere Wege durch das dichter werdende Unterholz führten. Fischer redete ununterbrochen, machte Scherze über den Polizeidienst, ereiferte sich über Kollegen.

«Sie sind der erste Polizist, der mir wie ein Mensch vorkommt», sagte Wagner. Warte, dachte Fischer. «Ich hoffe nur, Ihr Kollege lässt Sie nicht im Stich», sagte Wagner. Fischer lächelte, als er auf die schmale Strasse blickte. Er setzte seine Brille wieder auf. «Jetzt, wo ich wieder besser sehe, muss ich Sie leider verhaften.» Ehe sich Wagner versah, schnappten die Handschellen um seine Handgelenke. «Was soll das?»

Schöne kleine Falle

«Es gibt keinen ehrgeizigen jungen Kollegen in diesem Mordfall. Es gibt nur den ehrgeizigen, dicken Kommissar Fischer, der Ihnen hier eine schöne kleine Falle gestellt hat.» «Eine Falle! Sie sind doch nicht ganz bei Trost.» «Nur der Mörder konnte mich so zielstrebig zum Tatort führen, wie Sie das taten, Herr Wagner.» Wagner lachte laut auf.

«Sie Trottel, das hier ist nicht der Tatort, mich legen Sie nicht so einfach herein.» Wagners Lachen erstarb, als er in Kommissar Fischers Gesichtszügen eine triumphale Freude lesen konnte. «Sie haben ganz recht, Herr Wagner. Das hier ist nicht der Tatort.» Ein maliziöses Grinsen begleitete seine Worte. Auf Wagners Stirn bildete sich ein Schweissfilm, und er spürte, wie seine Knie zu zittern begannen.

 Weshalb freut sich Kommissar Fischer, obwohl ihn Wagner nicht an den Tatort geführt hat?